So sieht unser Tag während der Ernte aus

Erntetagebuch, 27. August 2025: Zu dieser Jahreszeit sind wir absolut abhängig (noch mehr als sonst) von der Natur. Jeden Tag wird das Wetter akribisch beurteilt und dann entscheiden wir zum Teil spontan, was heute gemacht werden muss. Unser Schlafrhythmus ist unwichtig, andere Pläne werden über Bord geworfen, eigene Bedürfnisse zählen nicht. Die Natur diktiert, was jetzt wann und wie schnell geschehen muss, um das Beste aus unseren Träubchen herauszuholen.
Foto: Seniorchef Otmar bei der Handlese
Heute nehmen wir euch einfach mal mit ins Weingut. Ihr wisst vermutlich, dass wir mit drei Grafen plus unserer Kristine das Weingut und die Waldhütte managen. Jede(r) von uns trägt einen wichtigen Beitrag zum Gesamterfolg bei, und jede(r) hat einen ganz bestimmten Aufgabenbereich. Zusätzlich unterstützt uns ein großartiges Team. In Summe sind zur Erntezeit, unserer Hochsaison, ca. 25 Leute auf dem Weingut beschäftigt.
4.30 Uhr: Der Wecker klingelt
Für Kellermeister Peter Graf und Winzergeselle Dominik beginnt der Erntetag.
5.15 Uhr: Treffen der beiden im Weinberg
Mit dabei: der sogenannten „Vollernter“ (eine Erntemaschine).
Dieser unchristlich frühe Zeitpunkt ist keine freiwillige Entscheidung. Denn die mikrobiologischen Prozesse in den Träubchen beginnen in der Sekunde, in der die Traube vom Rebstock getrennt wird. Je kühler die Trauben, umso besser überstehen sie den Transport bis zur Presse, der je nach Lage des Weinbergs bis zu 30 Minuten dauern kann.
Der zweite Grund ist unser Nadelöhr, die Presse, da müssen alle Trauben durch. Doch es gibt nur einen perfekten Zeitpunkt für die Ernte – und wir können nur 4 Tonnen Trauben auf einen Schlag pressen. Darum arbeiten wir in der Hochsaison im 2-Schicht-Betrieb.
6.30 Uhr: Das erste Etappenziel geschafft!
4 Tonnen Sauvignon blanc Träubchen sind abgeerntet!
bis 7 Uhr: Transport ins Weingut
Quer durch die morgendlichen Weinberge rattert unser Traktor mit dem gefüllten Maischewagen (= ein speziell für Weintrauben angefertigter Anhänger) zur Presse.
bis 8.30 Uhr: vom Maischewagen über den Traubensortiertisch in die Presse
Foto: Abladen der Träubchen aus dem Maischewagen
Am Weingut wartet schon das Team. Auf dem Sortiertisch werden die Trauben liebevoll sortiert – alle Beeren, die nicht prall gefüllt oder angefressen sind (z.B. durch Wespen oder die Kirschessigfliege), werden aussortiert. Dann werden sie peu à peu in die Presse eingefüllt und dort eingemaischt (d.h., die Träubchen werden leicht zerquetscht). Die Beerenschale und das Beerenfleisch verbleiben in der sogenannten „Kaltmazeration“ (Einweichzeit) mit einer Maischestandzeit von circa 4-6 Stunden. Dadurch lösen sich Aromen aus der Traubenschale, die ersten Säuren beginnen zu arbeiten, und die spätere Gärung bekommt eine bessere Qualität. Jetzt ist für die Träubchen erst einmal Pause;
Stressabbau und Aromaaufbau sind angesagt!
bis 10 Uhr: Putzen, putzen, putzen
Dominik reinigt den Anhänger, den Sortiertisch, die Halle, die Schläuche, die Tanks, legt die Schlauchleitung von der Presse zu den Tanks – und macht eine wohlverdiente Kaffeepause!
9 - 10 Uhr: Fahrt mit dem Unimog plus Wasseranhänger zur Waldhütte
Für Jürgen Graf beginnt der Arbeitstag mit einer Fahrt in dem urigen Unimog quer durch die Weinberge und den Wald hoch zum Schweizerhaus. (Nur wenige Gefährte schaffen diesen Weg dort hoch). Die Waldhütte ist nicht an das Versorgungsnetz angeschlossen, daher muss jede Woche ca. 2.000 Liter Frischwasser aufgefüllt werden.
9 – 12 Uhr: Das Ernteteam Nummer zwei beginnt mit der Arbeit
Begleitet von Seniorchef Otmar Graf sind aktuell drei bis fünf Leute im Ernteteam Nummer zwei. Wenn die Premiumweine reif sind (die alle zu 100% von Hand gepflückt werden) sind bis zu 15 Leute gleichzeitig im Weinberg. Heute findet die Vorselektion der Grauburgunder- und Saint Laurent- Träubchen statt. Das heißt konkret: faule Nester und unreife oder angefressene Trauben werden herausgeschnitten, damit die guten Träubchen Luft haben.
9 - 12 Uhr: Wocheneinkauf & Vorbereitung Mittagessen
Kristine Alcance kauft alle Zutaten frisch ein, die für die philippinisch-pfälzer-kanadischen Gerichte im Gutsausschank gebraucht werden. Zusätzlich organisiert sie alle Zutaten für das Buffet, das für heute Abend im Schweizerhaus bestellt wurde. Und ganz nebenher kocht sie noch ein warmes Mittagessen für das gesamte Team. Heute gibt es eine Gemüsesuppe und Pfälzer Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree.
ab 10 Uhr: Büro-Management
Jetzt geht es bei Jürgen richtig rund. Das Weingut ist für den Publikumsverkehr geöffnet, die Online-Bestellungen werden für den Postversand vorbereitet, Weinbestellungen werden per Telefon, Mail, WhatsApp und per Zuruf aufgenommen, die Buchungen für Weinproben werden abgestimmt, Reservierungen für den Gutsausschank entgegen genommen und die Besucher der Gästezimmer und Wohnmobil-Stellplätze reisen ab und an.
11 - 12 Uhr: strategische Planung
Auch in der Erntezeit ist der langfristige Blick immens wichtig. Heute hat Jürgen den wöchentlichen Termin mit seiner Werbeagentur. Anzeigen werden geplant, Trends besprochen, die Newsletter werden entwickelt, Neuheiten überlegt, (internationale) Messen und die Social Media Präsenz werden geplant und der Online-Shop wird immer wieder neu gedacht, neu aufgesetzt und um Angebote ergänzt.
11 Uhr: Labor- und Kellerarbeit
Im hauseigenen Weinlabor prüft Peter die Werte der Tags zuvor geernteten Träubchen. Heute, am Anfang der Erntezeit, ist das unser Traubensaft, der aus Müller-Thurgau, Kerner- und Regent-Trauben besteht. Parallel läuft der Hefefilter im Keller und die frisch gepressten, naturtrüben Traubensäfte von gestern werden vorgeklärt.
Foto: Hefefilter zum Vorklären der Traubenmoste
12 - 13 Uhr: Mittagspause!
Alle schnaufen durch und genießen das köstliche Essen von Kristine. Wer die Kunst der Power-Naps beherrscht, verkrümelt sich für ein kleines Schläfchen. Innerlich hoffen alle, dass keine unangekündigten Gäste kommen, wenn gerade die Teller dampfend auf den Tisch gestellt werden. Nach dem Essen Espresso nicht vergessen und weiter geht’s!
13 - 20 Uhr: Trouble-Shooting & Planung
Jürgen orchestriert im Hintergrund alle und alles. Die Buchführung muss erledigt werden (denn das Finanzamt nimmt keine Rücksicht auf die Erntezeit), eine Lieferung ist scheinbar auf Abwege geraten, und es müssen dringend neue Verschlüsse und Versandkartons bestellt werden. Zugleich ist Jürgen der zentrale Ansprechpartner, egal, ob jemand kurzfristig ausfällt, eine Maschine kaputt geht, dringend noch eine Zutat gekauft werden muss oder irgendwo ein Strohballen umfällt.
14 - 20 Uhr: Hochbetrieb in der Küche
Kristine kocht mit ihrem Team wie ein Wirbelwind für den Gutsausschank. Heute sind es 23 Portionen Spinatknödel mit Pilzsoße, 31 Saumagen Burger sowie 42 Flammkuchen (uvm.) – in Summe 112 Gerichte.
14.30 – 16.30: Abpressen des Saftes
Zurück im Keller ist die Pause für die Sauvignon blanc Träubchen beendet. Die Presse wird erneut eingeschaltet, der Saft wird abgepresst.
Siehe Beitrag - Wie kommt der Saft aus der Traube.
15 Uhr: Das Team Gutsausschank kommt an
Das Team für den Gutschausschank kommt an und bereitet nach Kristines Vorgaben alles vor: Vorräte werden aufgefüllt (immer schön von hinten!), die Tische werden für Reservierungen vorbereitet, frisches Gemüse wird geschnippelt.
16 Uhr: Der Gutsausschank öffnet sich!
Am Wochenende sind unsere Tische fast immer ausgebucht. Heute ist noch ein sonniger Platz frei, der nur von einer kleinen Eidechse bewohnt wird. Die verschwindet allerdings blitzschnell, als noch eine spontane Besuchergruppe eintrifft.
17 - 17.30 Uhr: Das Ernteteam zwei beendet den Tag im Weinberg
Seniorchef Otmar und sein Team kehren vom Weinberg zurück. Doch damit ist die Arbeit nicht getan, denn die Presse, das Werkzeug und der Transporter müssen gereinigt werden. Alle sind klebrig bis hinter beide Ohren. Es dauert ganz schön lange, den Traubensaft wieder abzuwaschen! Im Anschluss gibt es beim Zusammensein ein gutes Gläschen Feierabend-Wein. Nach einem anstrengenden Erntetag redlich verdient!
17 Uhr: Zweite Ernterunde im Weinberg
Jetzt, wo die Sonne nicht mehr so stark knallt, startet unser Frühteam Peter & Dominik in die zweite Schicht durch. Der Vollernter arbeitet sich rasant durch die Reben.
18.30 Uhr: das zweite Ernteziel ist geschafft!
Weitere 4 Tonnen wunderschöne Träubchen liegen im Anhänger und funkeln in der Abendsonne.
18 – 21 Uhr: Große Weinprobe
Jürgen begrüßt die Gästegruppe, die eine große Weinprobe “ich will alles wissen” gebucht hat und erklärt ihnen mit viel Charme und Hintergrundwissen alles, was sie über die Weine wissen möchten, die sie gerade verkosten.
bis 19: Abladen & Sortieren
Die zweite Charge Sauvignon blanc wird sorgfältig im Weingut sortiert und geht in die Presse. Damit kann die Maischestandzeit beginnen.
20 – 22 Uhr: die Küche schließt
Die letzte Bestellung wird an die Tische gebracht. Jetzt geht es an die gründliche Reinigung der Küche und die Bestandsaufnahme sowie die Planung für den nächsten Tag, damit Kristine weiß, was sie am morgen einkaufen muss.
21.30 Uhr: Der Gutsausschank schließt
Spätestens um 22.00 Uhr geht das Licht aus.
22 - 22.30 Uhr: strategische Planung für die nächste Tage
Jürgen & Kristine erstellen die Tagesplanung und prüfen, was ansteht und wer welche Aufgaben übernehmen kann.
22.30 Uhr: Feierabendwein
Alle atmen durch. Ein erfolgreicher Erntetag ist geschafft, wir sind zufrieden! Die Maschinen sind reibungslos gelaufen, es gab kein Stocken, keine Verzögerung, und das Weingut hat eine wunderschöne neue Bewertung auf Google erhalten.
00:30 Das zweite Abpressen beginnt
Die Maischestandzeit der zweiten Charge ist beendet. Jetzt beginnt das Abpressen und läuft bis ca. 2:30 (Gott sei Dank automatisch, denn der nächste Morgen beginnt für das Frühteam auch wieder um 4.30 Uhr).
Soweit also unser Tagesablauf am Anfang der Erntezeit. Wenn nebenher das Weyherer Weinfest läuft, ist alles hysterisch hoch drei.
Aber Ende Oktober fallen wir für eine Woche aufs Sofa und bewegen uns gar nicht mehr. ;-) Entschuldigt bitte, dass dieser Newsletter so lang wurde. Wir waren selbst ein wenig erschrocken, was wir in der Familienbande so alles täglich wuppen. Aber es ist gut, sich das ab und zu auch einmal vor Augen zu halten … denn oft nimmt man sich selbst und seine eigene Leistung zu selbstverständlich hin.
Foto: Die frisch geputzten Traubeneimer warten auf ihren nächsten Einsatz.
Wir sind dankbar für unser großartiges Team und alle, die uns zu dem machen, was wir sind.
Eure unter Hochdruck arbeitenden Grafen
PS: Seit dem 20. September ist unser Jahrgang 2025 sicher in unserem Keller und unsere Weinlese ist beendet. Pünktlich vor dem großen Regen.
Hallo Ihr Grafen,
toller Bericht zur Weinlese. Man ist gedanklich dabei.
Weiterhin viel Erfolg.
Die nächste Bestellung folgt.
Grüße aus Hohenlimburg
Bernhard L.
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