Rotwein im Bach: Schlaraffenland?

Habt Ihr euch als Kinder auch manchmal gefragt, ob das Schlaraffenland wirklich so paradiesisch ist, wie es klingt? Ob es wirklich so großartig ist, wenn man jedes Mal ein gebratenes Hühnchen im Mund hat, zack!, auch wenn man einfach nur mal gähnen oder lauthals lachen will? Und ob es wirklich so toll ist, wenn es Honig regnet (ausgerechnet Honig!)? Würde man den Wein noch schätzen, wenn er einfach so aus dem Brunnen kommt?
Ein Winzer aus Edesheim, noch nicht einmal 3 km von uns entfernt, hat vermutlich nicht ans Schlaraffenland gedacht, als er vor ein paar Wochen beschloss, den Modenbach mit 30.000 Liter Rotwein zu fluten. Die Passanten, die erstaunt bemerkten, dass das Wasser auf einmal so rot war und intensiv nach Wein duftete, vielleicht schon eher. War hier ein Märchen wahr geworden? Man wunderte sich … bis man die Leitung fand, die direkt aus dem Tank ins Wasser führte.
Also alles andere als Schlaraffenland, im Gegenteil. Die Fische vertrugen es schlecht, es wird ermittelt wegen Gewässerverunreinigung, und als Umweltsünde werden solche Maßnahmen zu Recht hart geahndet.
Die größte Weinkrise überhaupt
Doch fragen wir uns mal, wie es dazu kommt, dass jemand einen ganzen Tank Rotwein auskippen will (ohne es zu entschuldigen). Tatsächlich befindet sich die Weinbranche aktuell in ihrer größten Krise seit wir zurückdenken können. Und bevor Ihr fragt: Ja, schlimmer noch als nach den Weltkriegen. Doch woran liegt das? Es kommen aktuell eine Fülle von verschiedenen Faktoren zusammen:
Das Angebot ist weitaus höher als die Nachfrage
Bis zu den 80er-Jahren gab es klare Anbauregularien für Wein. Darin wurde genau festgelegt, welche Flächen mit Weinbau ausgebaut werden dürfen. Diese Regeln wurden damals gelockert, sodass heute viel mehr Wein angebaut werden kann – und da im Weinbau ja alles so seine dreißig bis fünfzig Jahre dauert, bis es sich durchsetzt, spüren wir nun das Ergebnis. Dazu kommt, dass China sich in den letzten Jahren rasant als Anbau- und Exportland für Wein entwickelt hat und heute sogar mehr Wein als Frankreich anbaut! Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes in Wein geflutet (der Bach ist also nur ein Ausdruck).
Handelszölle
Wir sprachen bereits über die Handelszölle. Tatsächlich wurde die anstehende Entscheidung, ob die Zölle für alle Exporte in die USA auf 30% angehoben werden (aktuell sind es 10%) erneut verschoben, dieses Mal auf den 1. August. In der Zwischenzeit kauen wir Winzer uns nervös die Nägel und suchen hektisch andere Absatzmärkte. Doch bereits jetzt ist klar: Maximal die Hälfte der deutschen Weine werden dieses Jahr die USA erreichen, wenn überhaupt…
Konsum sinkt
Es wird immer weniger Alkohol getrunken. Dies wird aktuell durch die Presse stark gefördert, die Alkoholkonsum regelrecht verteufelt und auch kleinste Mengen als hochgefährlich darstellt. (Das lassen wir jetzt einfach mal unkommentiert).
Energiekosten
Wir alle sind schon einmal blass geworden, als wir die letzte Stromabrechnung erhalten haben. Man stelle sich das Ganze nun um ein Vielfaches verstärkt vor, wenn man riesige Mengen Wein kühlen muss. Da verschwindet die Gewinnmarge in einem Tempo, die einen nur noch trocken schlucken lässt. Wie Ihr wisst, haben wir viel in Sonnenenergie investiert und uns über das Ergebnis sehr gefreut. Umso tiefer holten wir Luft, als wir hörten, dass nun eine Solarenergieerzeugungssteuer diskutiert wird.
Bild: Erzeugte Energie 2025 im Weingut Graf von Weyher Stand: 18.7.2025
Die Mindestlöhne
Der aktuelle Mindestlohn liegt bei 12,82 Euro pro Stunde (ab 1.1.2027 bei 14,20 Euro / Stunde) – für ungelernte Arbeitende. Wir verstehen, dass die Kosten überall gestiegen sind und dass man mit einem ganzen Tag und einer ganzen Woche Arbeit in der Lage sein muss, sein Leben zu unterhalten (das geht uns als Unternehmer ja nicht anders!). Gleichzeitig sehen wir auch den übergreifenden Effekt, oder wie eine befreundete Unternehmerin einmal sagte: „Das Problem ist gar nicht der Anstieg des Mindestlohns. Das bekommen wir schon irgendwie hin. Das Problem ist der Unterschied zu den anderen Löhnen. Denn wenn der Mindestlohn steigt, können wir doch die Gehälter von ausgebildeten Facharbeitenden nicht einfach unverändert lassen.“
Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Ein ausgebildeter Winzer, der seinen Beruf von der Pike auf gelernt hat, verdient aktuell kaum mehr als eine ungelernte Aushilfe. Da zucken viele mit den Schultern und sagen, dass sich die Ausbildung nicht lohnt … und so gibt es wieder weniger Fachkräfte bzw. es müssen alle Gehälter angehoben werden … was dazu führt, dass sich die Leistungen verteuern, was dazu führt, dass sie sich keiner mehr leisten kann – Ihr seht schon, das ist ein Teufelskreis. Daher sind wir immer für moderate Ansätze und ausgewogene Lösungen. In diesem Fall nicht einfach, das geben wir gern zu!
Kein Backpulver mehr
Ja, Ihr habt richtig gelesen und nein, es geht nicht um Brot sondern immer noch um Wein. Tatsächlich ist das schnöde Backpulver eins der nachhaltigsten und unkompliziertesten Pflanzenschutzmittel gegen den echten Mehltau (Oidium), einen unserer Erzfeinde. Daher bestellen wir jedes Jahr große Mengen davon. Nun hat ein Unternehmen sich das Backpulver mit einem kleinen Zusatz als Pflanzenschutzmittel registrieren lassen ... und damit ist Backpulver nicht mehr als sogenannter Grundstoff registriert. Ein Grundstoff ist ein Mittel, das als Pflanzenschutzmittel verwendet werden kann, auch wenn das nicht seine primäre Funktion ist. Da laut Gesetz ein Grundmittel nicht gleichzeitig als Pflanzenschutzmittel deklariert sein kann, dürfen alle Winzer ab jetzt nur noch das offizielle Mittel kaufen... für den 9-fach höheren Preis! Das bedeutet für uns eine Mehrbelastung von etwa 5.000 Euro pro Jahr. Man schaut sich unwillkürlich um, wo hier die versteckte Kamera ist ... Das kann doch nur ein Schildbürgerstreich sein?
Leider nein. Das ist eine typische Konsequenz von Gesetzen, die theoretisch gut und nachvollziehbar klingen und praktisch zu völlig abwegigen Effekten führen.
Die Konsequenz
Um uns herum geben unglaublich viele Winzer auf, der Rest kämpft. Es wird viel geredet und wenig getan. Vor nur zwei Jahren hat einen Quadratmeter Weinberg hier bei uns ca. 9,00.- Euro gekostet. Heute sind es 3,00.- Euro (und weniger). Wer also schon immer mal einen Weinberg besitzen wollte, sollte jetzt zuschlagen! ;-)
Doch man muss wissen, dass wir die Weinberge nicht einfach roden und etwas Anderes anbauen können – nein, hier greifen wieder sehr strenge Vorgaben. Es ist noch nicht einmal möglich, eine andere Frucht oder Pflanze anzubauen, geschweige denn eine touristische Nutzung oder der Bau eines Gebäudes.
An der Mosel haben die Ämter schon gehandelt … hier wurde erlaubt, dass die Winzer ihre Weinberge in Lavendelfelder verwandeln. Eine dufte Lösung, die sich hoffentlich rechnen wird. (Was sagt nur die Provence dazu?). Wenn Ihr also bei der nächsten Moseltour ehemalige Weinberge lila leuchten und lavendelig duften seht, wisst Ihr, warum das so ist!
Die gute Nachricht
Bevor Ihr nun kopfschüttelnd sagt, dass dieser Newsletter euch die gute Laune verdorben hat, wollen wir mit einer guten Nachricht enden: Wir sind durch jahrelange Arbeit, nachhaltige Investitionen und unseren Weitblick gut aufgestellt. Während auch bei uns langjährige Händler wegbrechen, spüren wir dennoch, dass der Online-Handel ansteigt, unsere Weinproben mit Begeisterung gebucht werden und die Waldhütte Schweizer Haus sowie unser Gutsausschank sich weiterhin größter Beliebtheit erfreuen. Dafür sind wir dankbar, zeigt es doch, dass unsere Qualität und die Arbeit sich auszahlen.
Gleichzeitig sind auch wir offen für Änderungen, neue Ideen und Weiterentwicklungen. Wir freuen uns daher sehr darauf, von euch zu hören, wenn Ihr konstruktive Ideen habt, wie wir gemeinsam die Zukunft gestalten können.
Eure nachdenklichen Grafen
P.S. Auch in schwierigen Zeiten muss man die Feste feiern, wie sie fallen! Wenn Ihr also ein Sommerfest oder ein Picknick plant, solltet Ihr jetzt unser Angebot mit den beliebtesten Sommerweinen bestellen:
Spritzig, vielseitig, fruchtig – es ist für jede(n) etwas dabei!
Lieber Graf (von Weyer),
jetzt muss ich mich aber mal zu Deinem wirklich herausragenden Internetauftritt und der wirklich vorbildlichen Kommunikation um die Sache des Weins äußern.
Die Idee, die “missglückte” Mengenreduktion des Kollegen einmal zur Aufklärung bezüglich der bestehenden wirtschaftlichen Probleme im Weinbau zu nehmen, ist wirklich anerkennenswert.
Dieser Artikel gehört dringend in eine bedeutend größerer Verbreitung – z.B. überregionale Zeitungn und Zeitschriften.
Die Verbraucher in Deutschland haben leider zum großen Teil kein Verständnis für die Kosten, die in der Produktion von Lebensmitteln enstehen.
Und so sind wir auf dem Weg in unserem Land (in der Masse) nur noch zweit oder drittklassige lebensmittel angeboten zu bekommen.
Ein befreundete Gemüsehändler im Großraum Düsseldorf erklärte mir schon vor 10 Jahren, dass er auf dem Grossmarkt dieser sicherlich kaufkräftigen Stadt nicht mehr dieTopklasse im Angebot fand, da diese Ware nach Paris, London oder woanders hin ging.
Ich hoffe, dass Du noch lange durchhälst und werde höchstwahrscheinlich versuchen, mich im Sepetember zu einer erneuten Verkostung beim “Grafen” anzumelden.
Beste Grüße
Liebe “Grafen” von Weyer,
seit Jahrzehnten komme ich meist mit meinem MTB in Eure herrliche kleine und doch großartige “Grafschaft” zwischen mediteranem Garten, Scheune und Gutsausschank, und ich habe jedesmal Eure Großzügigkeit und Gastfreundschaft samt vorzüglichem Weingenuß im Glas inhalieren können…bis in die Poren seelisch-sensorischen Vergnügens!
[…]
Die Zusammenhänge, die ihr transparent ausgeführt habt, sind einleuchtend und traurig zugleich, in der Vielzahl der problematischen Entwicklungen bedrückend. Das tut mir aufrichtig leid, weil es die leidenschaftliche Arbeit vieler landwirtschaftlicher Betriebe, v.a. privater, kleiner Winzerbetriebe derart behindert (statt unterstützt), dass viele offensichtlich “das Handtuch” werfen.
Wie traurig!
Als leidenschaftlich interessierter Laie und Konsument kann ich nicht mit klugen Vorschlägen dienen, die Ihr als umsichtig handelnde Profils nicht bereits im Blick hättet.
Mir bleibt lediglich die moralisch motivierende Aussage:
1. Bitte bleibt, wie Ihr seid und lasst Euch auf mögliche neue Wege mit Selbstbewusstsein und Festhalten!!! an bestem Now How und Erfahrung durchaus ein, falls nötig.
2. Ich werde meinen bescheidenen Beitrag leisten, um Eure bemerkenswert persönliche Art des Winzerberufes und die sich widerspiegelnde Art der “gräfischen Weine von Weyer” selber zu genießen und auch bekannt zu machen.
Insgesamt liebe ich die Pfalz mit ihren wunderbar vielfältigen Winzerbetrieben seit über 40 Jahren und kenne manche Entwicklungen im Auf und Ab aus der interessierten Betrachtung, Verkostung und vielen Gesprächen.
Auch, wenn mein Interesse mich in fast alle deutschen ( Saale/Unstrut noch nicht ) und gerne auch in einige italienischen Weingebiete verschlägt, bleibt meine Heimat des Weins “Die Pfalz”, bevorzugt die südliche Weinstraße ob ihrer “Bodenständigkeit” und Sortenvielfalt.
Sollten wir uns hoffentlich im Oktober wiedersehen, so gebe ich mich gerne zu erkennen… kein über Jahrzehnte unbekanntes aber auch nicht “ständiges” Gesicht in Eurer Grafschaft ;)
Ich wünsche Euch von Herzen viel Kraft, Mut und Zusammenstehen mit den richtigen Winzerkollegen!
Herzliche Grüße aus Würselen, bis Oktober!
Hallo und guten Tag,
ich habe nun den ersten Newsletter von Ihnen erhalten und muss sagen, dass sich dieser Newsletter in seiner Qualität wirklich von anderen Newslettern sehr positiv abhebt. Herzlichen Glückwunsch dazu.
Leider ist einem als Gast, der sich in der Pfalz sehr wohl fühlt, nicht klar, wie ernst die Lage für die Winzer ist. Das war sehr interessant und gleichzeitig betrüblich zu lesen.
Wir wünschen Ihnen trotzdem alles Gute und freuen uns auf Ihren nächsten Newsletter.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Frank und Birgit H.
An was sind die Fische verendet ?.
Alkoholvergiftung oder schlechter Wein ?.
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