Liebe Freunde des guten Weins,
eigentlich sollte man glauben, dass Bürokratie und Wein zwei entgegengesetzte Enden des Spektrums abdecken. Leider sind sie jedoch eng miteinander verwoben.
In diesen Tagen kommen die ersten Weine der Ernte 2022 am Ende ihres Gärprozesses an und können abgefüllt werden! (Hurra!) Was viele nicht wissen: In Deutschland sorgen strenge Lebensmittelgesetze dafür, dass jede abgefüllte Charge einzeln geprüft wird. Eine staatliche Prüfstelle übernimmt dabei die streng reglementierte Analyse & Qualitätsprüfung und gibt die jeweiligen Chargen frei. Erst danach dürfen wir sie in den Verkauf geben.
Die für uns zuständige Stelle befindet sich in Neustadt, ca. 10 Minuten mit dem Auto entfernt. Unser »Qualitätsshuttle« fährt deshalb jetzt im Frühjahr genau drei Flaschen von jeder Füllung zur staatlichen Prüfstelle (wenn möglich, fassen wir natürlich mehrere Abfüllungen zusammen). Hier stellen wir die Zulassungsanträge und geben gleichzeitig die Flaschen ab. Eine Flasche wird als Rückstellmuster ins Archiv gestellt, falls es später Fragen gibt,
eine Flasche wird versiegelt und kommt zurück in unser Weinguts-Archiv, die andere Flasche wird geprüft. Und uns ist vorab natürlich nicht bekannt, welche der Flaschen unters Mikro kommt! :-)
Im Labor wird der Wein auf Sensorik (Geschmack) und diverse Eckwerte geprüft, damit alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. So darf er z.B. nicht zu viel Schwefel enthalten. Auch das Etikett wird genau begutachtet. Eine Spätlese darf z.B. nur als solche bezeichnet werden, wenn der Oechsle-Wert (=der Zuckergehalt) nicht zu niedrig war und zum Zeitpunkt der Traubenernte bei mindestens 85° lag.
Wenn alles einwandfrei den Vorgaben entspricht, erhält der Wein die sogenannte AP-Nummer(=amtliche Prüfungsnummer). Diese findet Ihr später auf jeder Flasche. Auch im Internetshop ist sie bei jeder Produktbeschreibung in den Details angegeben. So kann jede(r) genau nachvollziehen, welche Charge gerade genüsslich durch die eigene Kehle rinnt. Und das ist auch der Grund, warum ein einziger Wein zwei oder mehr AP-Nummern haben kann – wenn er zu zwei (oder mehr) unterschiedlichen Zeitpunkten aus dem Fass abgefüllt wurde und daher in mehrere Chargen unterteilt wurde.
So weit, so gut. Doch eine Frage treibt uns schon seit Jahren um: Durch unser Weingut alleine kommen jedes Jahr ca. 110 Flaschen zu der Behörde. Was geschieht eigentlich mit den Resten in den angebrochenen Weinflaschen? Für die Qualitätsprüfung wird ja nur ein Bruchteil der Füllung benötigt. Machen die Behörden jeden Abend große Weinfeste? Gibt es täglich Weinschaumcreme in der behördlichen Kantine? Sind 17 angebrochene Weinflaschen (oder so) pro Woche Teil der offiziellen Sozialleistungen für alle Angestellten? Oder (oh Graus) kippen sie die Reste gar herzlos weg??
Und wo wir gerade beim Grübeln sind: Wie groß ist das Lager der Rückstellmuster eigentlich … und wie lange werde die Rückstellungsexemplare dort aufbewahrt? Gibt es vielleicht irgendwo ein Riesen-Rückstellungs-Weinlager, das sich kilometerweit à la Amazon Lagerhalle hinzieht, natürlich total geheim und unbekannt? Fragen über Fragen … wir werden uns bei unserem nächsten Qualitätsshuttle-Besuch in Neustadt wohl mal jemanden schnappen und ausquetschen müssen. :-)
Übrigens müssen wir dem Amt gegenüber auch jedes Jahr offenlegen, welche Pflanzenschutzmittel in welcher Menge genutzt werden. Falsche Angaben sind kein Kavaliersdelikt, daher müssen wir hier mit extremer Sorgfalt arbeiten!
So viel Theorie macht durstig. Gönnt euch einen guten (amtlich geprüften) Schluck und genießt den Augenblick ganz ohne Bürokratie.
Eure amtlich geprüften
Grafen von Weyher
eigentlich schreibe ich keine Leserbriefe, aber jetzt muss ich es einfach tun! Glückwunsch zur Aufbereitung des eigentlich doch staubtrockenen und langweiligen Bürokratie-Themas! Hier wurden Fakten, die ich bisher so genau auch noch nicht kannte, gekonnt launig und humorvoll aufbereitet. Ich habe mich sehr amüsiert und freue mich jetzt schon darauf, den Text heute Abend bei einem Glas Wein nochmals zu lesen.
Herzliche Grüße
Klaus
Vielen Dank für die Aufklärung uns völlig unbekannter Abläufe bei der Weingewinnung!
Nun haben wir noch mehr Achtung vor der Tätigkeit der Winzer.
Viele Grüße
Hallo und danke für die sehr ausführliche Mitteilung, wo die abgebrochenen Flaschen landen?Na ist doch klar ,die in der Prüfstelle müssen ja auch jeden Tag 2l Flüssigkeit zu sich nehmen pro Person und schon passt es.
Liebe Grüße vom Hans aus München
Hallo an alle Grafen
Ihr beklagt Euch über die Bürokratie
Dann kommt mal nach Potsdam da kommt dann noch der Zeitfaktor dazu und der ist hier gewaltig natürlich negativ
Herzlichen Dank an Euch wir sind schon auf das nächste Newsletter gespannt
Wir freuen uns über deine Kommentar