Wolle im Weinberg?

Wolle im Weinberg?
es tut sich was im Weinberg! Zu dieser Jahreszeit können wir förmlich dabei zusehen, wie Saft in die trockenen Weinstöcke schießt. Die ersten neuen Triebe und Augen schauen schüchtern ins Licht und räkeln sich in den ersten Sonnenstrahlen. Noch ist jedes Auge von einem kleinen Mäntelchen geschützt, das aus ganz dünnen Fasern besteht. Es sieht aus wie Wolle und daher sagen wir Winzer, dass die Reben »in der Wolle stehen«.
img_Rebensaft
Mit jedem Grad Wärme und jedem Sonnenstrahl wachsen die Äugelchen, bis sie aus der Wolle herausplatzen. Das ist der Augenblick des Austriebs!
Und das ist auch der Augenblick, in dem wir Winzer eine Tendenz zu nervösen Zuckungen entwickeln, wenn wir auf das Thermometer blicken. Denn ohne Wolle sind die kleinen Augen schutzlos dem Frost ausgeliefert. Bis Anfang Mai besteht Frostgefahr – das ist wie ein jährlicher Krimi. Den Tatort brauchen wir in dieser Zeit nicht – wir kauen schon so vor Spannung an den Fingernägeln.
img_in_der_Wolle
Durch den Klimawandel kommt der Frühling jedes Jahr ein wenig früher … doch dadurch steigt auch das Risiko, denn winterliche Rückschläge können alle Blüten vernichten. So musste dieses Osterwochenende im Bordeaux erneut zu radikalen Mitteln gegriffen werden: In Frankreich ist die Natur schon weiter als bei uns, und als es wieder fror, haben die Winzer große Ölkerzen in die Weinberge gestellt. Sie sorgen für Rauch und Wärme und damit für die entscheidenden ein bis zwei Grad Unterschied. Dies ist eine Methode, die auch im Bioanbau durchaus erlaubt ist, aber der Natur natürlich dennoch nicht gut tut.
Eine Alternative ist die Luftverwirbelung durch niedrig fliegende Hubschrauber oder riesige Windräder die Winzer als Frostschutzmaßnahme ergreifen … in dem verzweifelten Versuch, einen Totalausfall der Ernte zu verhindern.
img_Forstbekämpfung_Bordeaux
Foto: Frostbekämpfung mit Ölkerzen in Bordeaux Frankreich
In Weyher mussten wir zum Glück bis jetzt noch nicht zu solchen Maßnahmen greifen. Unsere Weinberge mit ihrer Süd- bzw. Südwestlage und einem beständigem Wind, welcher vom Pfälzerwald über unsere Weinberge runter weht, sind auf natürliche Weise ideal vor Frost geschützt. Wir müssen lediglich dafür sorgen, dass das Gras kurz geschnitten ist und sich somit keine Kälteblockade unter den erwachenden Reben bilden kann. Selbst kurz vor Sonnenaufgang, wenn die Nacht am kältesten ist, friert es im Frühling in unseren Weinbergen ausgesprochen selten. Das letzte Mal war es ein bitterkalter April in den 70er Jahren, erzählt unsere Oma Graf. Da verloren wir die komplette Ernte … und das galt nicht nur in Weyher, sondern in der gesamten Pfalz.
Deshalb freuen wir uns immer, wenn unsere Weinberge nicht gar so keck in den Frühling starten und ihre Wollmäntelchen lange anbehalten.
Ihr seht, die Winzerkunst ist eine aufregende Mischung aus jahrhundertealter Tradition und beständiger Innovation. Und darum lieben wir sie so. Trotz Frost und allen anderen Widrigkeiten.

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