Der weiße Ritter im Weinberg: Weinlese 2024

Foto: Pellenc Traubenvollernter - Weinlese 2024
Wir kennen das aus den klassischen Märchen: Gerät man in äußerste Not, kommt der weiße Ritter angaloppiert und rettet einen vor dem sicheren Untergang. So einen »weißen Ritter« haben wir Winzer auch, nur dass sein Pferd Diesel trinkt.
Dieses Jahr brauchten wir ihn dringend, unseren Ritter, denn das Wetter benahm sich wie der sprichwörtlich Drache: Im Sommer blies er viel Luftfeuchtigkeit in unsere Lande, sodass unsere Erzfeinde, der echte und der falsche Mehltau, sich vor Wonne quer durch unsere Weinberge kugeln konnten. Um die Ernte auch nur einigermaßen zu retten, mussten wir 2024 fast doppelt so viel Pflanzenschutzmittel wie in einem normalen Jahr austragen.
Am 4. September begannen wir daher schon leicht angeschlagen mit der Weinlese – und am 8. September schlug das Wetter um. Es wurde eklig kalt und nass, sodass die Fäulnisquote innerhalb von 4 Dauerregentagen von 3% auf 40% anstieg! 
Damit begann der Winzer-Thriller, der Wettlauf gegen die Zeit. Jeder Tag zählte, denn jede Stunde fielen weitere Träubchen dem Schimmel zum Opfer. Unser Ernteteam war mit 10 Leuten den ganzen Tag im Weinberg, um die sogenannte »Negativlese« umzusetzen, d.h., um die faulen Trauben herauszuschneiden. Das war harte Arbeit unter unangenehmsten Rahmenbedingungen, eine wirklich tolle Leistung!
Und damit war auch die Stunde für unseren weißen Ritter gekommen: Er heißt Pellenc Traubenvollernter und ist eine Erntemaschine der neuesten Generation. Normalerweise ernten wir ca. 40 bis 50% unserer Weinberge maschinell ab. Dieses Jahr, während der Schimmeldrache uns kalte Luft in den Nacken blies, mussten wir unter Hochdruck arbeiten. Gott sei Dank hatten wir den weißen Ritter schon organisiert, einen der besten, den es aktuell überhaupt gibt. So konnten wir gegen die Zeit arbeiten und haben in Windeseile ca. 70% maschinell ernten können.
Und nun ist der Augenblick gekommen, um ein wenig ins Schwärmen zu geraten. Der Pellenc Traubenvollernter ist nämlich keine herkömmliche Erntemaschine, sondern ein ausgeklügeltes, kompaktes Wunderteil, das uns wirklich begeistert hat.
Wisst Ihr eigentlich, wie so eine Erntemaschine arbeitet? Sie ist wie eine viereckige Brücke auf Rädern gebaut. Mit dieser fährt man kurzerhand über die gesamte Weinrebenreihe, d.h., die Erntemaschine »schluckt« die gesamte Rebe, braust über sie hinweg, schüttelt sie kräftig, um die Träubchen zu lösen und lässt die Rebe danach hinter sich zurück. Wahrscheinlich fühlt sich die Rebe bei der Prozedur so ein wenig wie Jona im Walfischbauch und ist froh, wenn sie am anderen Ende wieder ausgespuckt wird. Und nun wisst Ihr auch, warum Weinberge immer so akkurat und exakt angelegt sind.
Ein gebrauchter Ritter kostet etwa 150.000 Euro, neu kann man ihn für ca. 300.000 Euro erstehen. Das lohnt sich für unser Weingut mit einer Größe von 16 Hektar und für einen Einsatz von nur wenigen Wochen im Jahr gar nicht. Daher schließen sich Winzer zusammen oder buchen ihre Maschinen über eine Lohngesellschaft. Unsere Pellenc Traubenvollernter war ein echter Glücksfall: Der Sohn des Inhabers wurde vor ein paar Jahren als Azubi bei uns im Weingut ausgebildet und so durften wir dieses technische Meisterwerk inklusive Fahrer dieses Jahr für die Ernte ausleihen. :-)
Anders als so ein klobiger Mähdrescher hat unser weißer Ritter eine eher grazile Gestalt. Man könnte ihn fast schon eine Gazelle nennen, denn er ist ideal auf sein Terrain angepasst: Mit schmalen, ausfahrbaren Beinen, die Unebenheiten im Terrain ausgleichen können, saust er durch die steilen Weinberge, dass es eine Freude ist. Und fast unsichtbar in seinem Inneren findet aufregende Prozesse statt:
  1. Der Traubenvollernter schüttelt die Trauben vom Stock

  2. Sie fallen auf das Förderband

  3. Sie werden mechanisch vom Rappen (das ist das Stielgerüst) getrennt. Diesen Vorgang nennt man ergo »entrappen«.

  4. Die Träubchen fallen anschließend auf den Sortiertisch. Der besteht aus mehreren Rollen mit Zwischenräumen, durch die die schweren, gesunden Trauben eine Etage tiefer fallen können. Alles, was leichter ist (wie Blätter, kleine Äste, zerquetschte und ungesunde Trauben) wird über den Sortiertisch gleich abtransportiert und fällt sofort wieder auf den Boden zurück. Dies ist ein rein mechanisches Sortiersystem, das nur funktioniert, weil der schwebend gelagerte Sortiertisch sich selbst am Hang immer automatisch flach ausrichtet.

Das Ergebnis ist ein enormer Unterschied zu anderen Maschinen, und wie gesagt, dieses Jahr war der Traubenvollernter unsere Rettung. Nur unsere Premium-Weine, wie z.B. unsere Lagenrieslinge an ihren sehr steilen Weinbergen werden bei uns nach wie vor zu 100% von Hand geerntet.
Foto: Handlese von unserem Schiefer Riesling trocken aus der Lage Burrweiler Altenforst
Foto: Handlese von unserem Schiefer Riesling trocken aus der Lage Burrweiler Altenforst
Zusammenfassend brachte die Weinlese im Jahr 2024 circa 25% weniger Ertrag als ein durchschnittliches Jahr. ABER: Das, was wir in mühsamer Detailarbeit erhalten haben, ist eine großartige Traubenqualität. Die Träubchen befinden sich nun in der Gärung, und es duftet schon wunderbar in unserem Weinkeller.
Nun lehnen wir uns zurück und verschnaufen erst einmal in köstlicher Vorfreude.
Eure leicht erschöpften, aber geretteten Grafen
P.S. Es gibt Prinzessinnen, die kommen ohne Ritter aus. Unsere Piwi-Rebsorte Cabernet Blanc (mehr dazu hier) konnte ganz entspannt abgeerntet werden, sogar ohne Vorselektion. Hier hatten wir überhaupt keine Ertragsverluste, das macht einfach unglaublich viel Spaß!

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