Umzüge innerhalb des Weinkellers

Foto: Seniorchef Otmar bei der Filtration im Weinkeller Weingut Graf von Weyher Pfalz
irgendeine Statistik besagt, dass Umziehen das zweitstressigste ist, was man überhaupt im Leben tun kann. (Das Stressigste ist eine Scheidung, aber das soll heute nicht unser Thema sein). In der Tat gibt es nur wenige Menschen, die Umzüge mögen. Kein Wunder, wird doch alles in den Grundfesten erschüttert und neu eingerichtet.
Das geht Wein übrigens nicht anders: Je häufiger er von Fass A nach Fass B umzieht, umso schlechtere Laune bekommt er. Denn auch er wird aus dem Schönheitsschlaf gerissen, aufgerüttelt, durch enge Schläuche gepresst und muss sich erst an die neue Umgebung gewöhnen.
Na gut, sagt sich der schlaue Winzer, dann lassen wir den Wein halt wunderbar im Keller schlummern und stören ihn nicht. Ganz so unkompliziert ist das jedoch nicht (war ja klar). Denn zusätzlich zum Einfüllen und Abfüllen (dem ersten und dem letzten Schritt), muss ein Wein mindestens zwei Umzüge pro Leben durchmachen: Die Filtration, die vor und nach der alkoholischen Gärung durchgeführt wird.
Wenn das alles wäre, wäre das Leben einfach. Doch leider gibt es dann noch das »Wein-Tetris« (den Begriff haben wir gerade erfunden). Vielleicht kennt Ihr Tetris: Es ist ein Spiel, in dem einzelne Blöcke hin- und hergeschoben werden, bis alles lückenlos ineinander passt. Und genau das ist eine wichtige Winzer-Beschäftigung. Denn wir müssen unsere Fässer immer lückenlos (sprich ohne Sauerstoff) randvoll (bzw. spundvoll, wie die Winzer sagen) füllen, gewissermaßen Oberkante Unterlippe, denn Sauerstoff ist auch so eine Sache, die Wein hysterisch macht. Und dieses kluge Hin- und Herbewegen des Weins ist eine Kunst für sich …
Foto: digitaler Weinkeller
Foto: digitaler Weinkeller im Weingut Graf von Weyher
Bei uns in Weyher haben wir 36 Edelstahltanks in verschiedenen Größen, mit einem Fassungsvermögen von 200 bis 10.000 Litern. Dazu kommen ca. 35 Barrique-Fässer à 225 Liter. Damit können wir ca. 150.000 Liter Wein gleichzeitig lagern. Pro Tag können wir maximal 9.000 Liter (ca. 12.000 Flaschen) abfüllen, doch aus Lagerkapazitätsgründen geht nicht immer alles auf einen Schlag. Wenn also ein halber Tank übrig bleibt, muss dieser mit einem anderen Wein kombiniert werden (sprich es entsteht eine Cuvée) oder der Wein muss komplett in einen kleineren Tank umgefüllt werden. In jedem Fall bedeutet es Stress für den Wein: Schon wieder ein Umzug!
Wir müssen also bei jedem Schritt genau abwägen: Wieviel Liter füllen wir ab? Bleibt Wein im Fass übrig? Wenn ja, wohin kann er umgelagert werden? Oder können wir eine weitere Umlagerung vielleicht sogar ganz vermeiden? Das Umzugsmanagement im Keller ist dementsprechend ein wichtiger Teil der Winzerkunst. Wir warten noch auf das Programm, dass uns mit Künstlicher Intelligenz verrät, dass die Scheurebe hinten links bei einem weiteren Umzug einen Nervenzusammenbruch bekommen wird, während der Riesling vorne rechts bei einem Einzug ins Nachbarfass tiefenentspannt bleibt.
Damit man bei den vielen Umzügen den Überblick behält (und damit die Behörden glücklich sind), gibt es das Weinbuch. Das ist unsere Bibel, denn hier steht alles, was wir wissen müssen:
Foto: Auszug aus dem Weinbuch
Foto: Auszug aus dem Weinbuch
  • Wieviele kg Trauben wurden geerntet?

  • Wieviel Liter Saft kam aus den Trauben?

  • Und wieviel Wein kam letztendlich aus dem Saft? (Durch die Filtration, Stau im Schlauch und die ständige Qualitätskontrolle gibt es immer gewisse Verluste)

Doch nicht nur das. Auch jeder Zwischenschritt wird genau dokumentiert. Das ist übrigens eine Aufgabe, die unser Seniorchef Otmar noch von Hand erledigt. Die lückenlose Aufzählung erfasst jeden Vorgang: Filtration, Abfüllung, Umlegung (von Tank A nach Tank B usw.). Bei jedem Verlegen wird die Menge vorher und nachher dokumentiert, die Aktion wird beschrieben und die neue Fassnummer wird notiert. Das ist eine Arbeit, für die man doch eine gewisse buchhalterische Leidenschaft braucht – und Übung.
Erst nach der Abfüllung in die Flasche greift ein anderes Überwachungssystem: Die AP-Analyse (dazu haben wir hier mehr geschrieben).
Die Weinbücher selbst sind spezielle Bücher, deren Seiten entsprechend vorgedruckt sind. Sie müssen 10 Jahre nach Abfüllung der Weinflaschen aufbewahrt werden. Sprich wenn der Wein 25 Jahre im Keller liegt, muss das entsprechende Weinbuch auch so lange aufbewahrt werden. Bei uns liegen aktuell 8 dicke Weinbücher im Tresor.
Also wenn Ihr das nächste Mal umziehen müsst, denkt dran: Ruhe bewahren und Wein trinken. Zumindest werdet Ihr nicht durch Schläuche gepresst.
Eure Tetris-Experten und Grafen

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