Eisgekühlt bis Zimmertemperatur – wie kühl soll er sein, der Wein?

Eisgekühlt bis Zimmertemperatur – wie kühl soll er sein, der Wein?
jetzt, wo es langsam wieder wärmer wird, lebt die Diskussion neu auf, wie warm oder kalt ein Wein eigentlich sein sollte, um sein Aroma voll zu entfalten. Die Antwort könnte glatt von einem Anwalt kommen, denn sie lautet:
Das kommt darauf an.
Worauf?
Auf den Wein.
Auf die Traube.
Auf die Jahreszeit.
Doch werden wir mal konkret:
Weiß- & Rosé-Weine
Weiß- und Rosé-Weine werden in der Regel gleich behandelt. Im Winter trinken wir Weißweine bei ca. zehn Grad, im Sommer bei sieben Grad. Bei manchen Burgunder-Weinen gehen wir einen Hauch höher, denn diese entfalten ihr Aroma am besten, wenn sie auf acht Grad gekühlt werden.
Wir haben bei uns im Weingut zwei Klimakühlschränke, welche die Temperatur aufs Grad genau regeln. Vermutlich gibt es hier in der Pfalz die höchste Dichte an Klimakühlschränken, denn Grundnahrungsmittel müssen korrekt behandelt werden. Doch für alle Menschen, die ihre Heimat nicht die Pfalz nennen dürfen, haben wir auch einen Tipp: Haltet kein Fieberthermometer in den Wein, das verdirbt den Appetit. Legt das Thermometer statt dessen in den Kühlschrank NEBEN den Wein, oder besser noch, nutzt ein Infrarotmessgerät oder – für die leidenschaftlichen Köche unter euch – das Soßentemperaturmessgerät.
Rotwein
Vermutlich hat jeder schon einmal gehört, dass man Rotweine »bei Zimmertemperatur« trinken soll. Diese Empfehlung stammt jedoch aus den Zeiten vor der Erfindung der Zentralheizung. Wir sprechen also nicht von molligen 24 Grad (es sei denn, es geht um Glühwein, der wird natürlich viel heißer). Unsere Empfehlung lautet daher: Ein Rotwein sollte im Winter um die 15 Grad kalt sein (ja, frisch war das damals in der Bude!). Im Sommer kühlen wir ihn auf 12 Grad, denn er erwärmt sich relativ schnell im Glas.
Als wir unser Praktikum auf einem Weingut in Südafrika gemacht haben und das Thermometer lustige 35 Grad im Schatten anzeigte, haben wir sehr entspannt Eiswürfel hinzugefügt. (Ist da gerade jemand in Ohnmacht gefallen?). Doch, das ist wirklich so. Denn lieber ein etwas verdünnter Wein als eine warme Brühe.
Sekt & Secco
Sekt & Secco wird noch etwas kälter als Weißwein getrunken. Er liegt Sommer wie Winter bei ca. sechs Grad. Prickelnd kalt erfrischt und belebt er wunderbar.
Qualitätsmerkmal Temperaturbeständigkeit
Mit der Temperatur ändert sich der Geschmack des Weins. Das ist übrigens ein entscheidendes Qualitätsmerkmal. Wenn der Wein etwas wärmer ist, als er eigentlich sein soll, aber immer noch sein Aroma entfaltet und gut mundet, zeugt das von echter Klasse.
Und Eiswein?
Bleibt noch die Frage nach dem Eiswein. Er wird nicht gefroren und in Würfeln gelutscht, auch wenn der Name dies suggeriert. Sein Name bezieht sich auf die Erntezeit: Er muss zum Erntezeitpunkt gefroren am Weinstock hängen, und das schon eine ganze Weile: mehrere Stunden bei minus sieben Grad, um genau zu sein. So lautet das Eiswein-Gesetz (natürlich gibt es Gesetze für jeden Wein. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder bei jeder Temperatur einfach seinen Wein ernten könnte). Denn nur wenn das Wasser in der Traube bei der Ernte gefroren ist, entwickelt sich das richtige Aroma und die richtige Süße. Eiswein ist ergo ein süßer Dessertwein höchster Güte. Mit dem Klimawandel wird er immer rarer. So war 2020 war das erste Jahr, in dem in ganz Deutschland kein Eiswein geerntet werden konnte, weil es zu warm war.
Bei uns im Weingut Graf von Weyher wurde 1998 das letzte Mal ein Eiswein gekeltert. Wir haben nur noch ein, zwei Fläschchen hier, die nicht mehr zum Verkauf stehen. Denn das hohe Risiko (die Traube kann am Rebstock verschimmeln, wenn es zu feucht ist), der hohe Aufwand (pflückt mal Wein bei minus sieben Grad, meistens mitten in der Nacht!) und der entsprechend hohe Preis machen diesen Wein zu einem wirtschaftlichen Risiko. Für alle Liebhaber des Dessertweins haben wir aber dennoch ein süßes Angebot: Unsere Beerenauslese (die nicht bei Frost gelesen werden muss) ist ein edler und vollmundiger Tropfen. Die kostbaren Fläschchen (0,5l) sind stark limitiert (339 Flaschen) kosten 39,00 Euro.
À propos Frost: Wenn die Temperaturen unter zehn Grad sinken, können die Zellen nicht arbeiten und die Winterruhe beginnt. Der magische Punkt für das Frühlingserwachen wird dann erst wieder bei 20 Grad erreicht. In diesem Augenblick beginnt der Riesling mit dem Austrieb, selbst wenn es danach gleich wieder kühler wird. Der südländische Merlot hingegen bequemt sich erst ab 22 Grad aus der Winterruhe.
Foto: Austriebs 2024 - die Geburtsstunde des neuen Jahrgangs!
Dieses Jahr war der Monat Februar wärmer als alle, die je zuvor gemessen wurden. Unsere Weinberge schlagen quasi Purzelbäume und platzen jetzt schon aus der Wolle. Da die Frostgefahr noch bis Mitte Mai besteht, ist bei uns jetzt wieder das große Zittern angesagt (nicht aus Kälte, sondern aus Angst). Denn ein großer Frost kann die ganze Ernte vernichten. Zur Beruhigung trinken wir ein gut gekühltes Glas Wein. Drückt uns die Daumen!
Eure gut gekühlten Grafen
 

1 Kommentar


  • Therese K.

    wer auch immer diese zauberhaften mails schreibt…ich ziehe den hut und freue mich jedes mal riesig sie zu lesen!
    danke für den humor und die infos und…daumen sind gedrückt, klar mit der einen hand… in der anderen ein feines glas blanc de noir😉👌👍
    freundliche grüsse aus der schweiz, nicht der pfalz aber auch schön
    therese k.


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