Nichts hat uns in den letzten Wochen so sehr bewegt wie der geplante Tod der Weinprinzessin. Doch wie kam es dazu?
Der Marketingverband der Pfälzer Winzer (Pfalzweinwerbung e.V.) hat das Amt der Weinprinzessin vor nicht ganz 100 Jahren als Marketingmaßnahme entwickelt. Die ursprüngliche Motivation liegt im Dunklen. Sollten in einer männlich dominierten Branche Frauen sichtbarer werden? Oder ist es einfach so, dass man lieber Wein trinkt, wenn er einem von einer attraktiven Frau mit Krönchen überreicht wird? Wir wissen es nicht. In jedem Fall war es eine gelungene Marketingmaßnahme, und die Traditionen rund um die Weinprinzessinnen sind nicht nur den Pfälzern ans Herz gewachsen.
Heute ist das Amt der Weinprinzessin alles andere als nur ein schönes Gesicht. Häufig sind sie selbst Winzerinnen, mit beiden Füßen fest auf der Erde, sprachlich extrem gewandt, und teilweise international präsent. Um den Titel zu erringen, müssen sie sich einer Fachprüfung stellen, die sich gewaschen hat. Und nicht zuletzt geht es bei dem ganzen Konzept um ein Millionenbusiness (von dem die Prinzessinnen selbst allerdings den kleinsten Teil erhalten).
Doch in diesem Jahr hat sich kurzerhand ein mutiger Mann auf das Amt der Pfälzischen Prinzessin beworben! Der Werbeverein schlingerte in seinen Grundfesten und stellte sich bei der Gelegenheit gleich die Frage, wie tragbar dieses doch antiquierte Modell heute noch ist. Also zog man sich ins Kämmerlein zurück und präsentierte stolz die neue Version: Ab sofort gäbe es keine Weinprinzessin mehr. Statt dessen heißen sie alle Weinbotschafter (m/w/d). Punktum. Aus der Zauber. Und Feenstaub brauchen wir auch nicht mehr, von Krönchen ganz zu schweigen.
Doch die Rechnung wurde ohne den Wirt gemacht:
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Zunächst einmal bringt man nicht einfach so ohne Rücksprache Prinzessinnen um, das bricht mit allen liebgewonnenen Traditionen. Die Pfälzer haben ihren Unmut mit einem Aufschrei zum Ausdruck gebracht, der bundesweit widerhallte. Man könnte es schon fast eine Revolution nennen – nur dass das Volk dieses Mal am Adel festhielt.
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Zweitens hat die Pfalzweinwerbung sich die Reformation im Alleingang überlegt und sich nicht mit den anderen 12 Anbaugebieten abgestimmt, die ja irgendwie auch ein Mitspracherecht haben, denn aus allen 12 Prinzessinnen wird dann unter der Ägide des Deutschen Weininstituts die deutsche Weinkönigin gewählt (das ist übrigens ein Full-Time-Job).
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Und dann gab es noch die geprüften Kultur- und Weinbotschafter, die diesen Abschluss nach einem circa einjährigen Seminar erringen und es gar nicht lustig fanden, dass sie ab sofort in den gleichen Topf wie die entmachteten Hohheiten geworfen werden sollten.
Kurz: Das Ganze war nicht ausgegoren und endete in einem Desaster. Es sei denn, man geht davon aus, dass Schlagzeilen um jeden Preis ein kluger Schachzug sind. Dann war es ein voller Erfolg.
Der neue Kompromiss, der schleunigst entwickelt wurde, heißt nun »Weinhoheit«. Die Damen tragen weiterhin eine Krone, doch für die Herren der Schöpfung gibt nur eine Anstecknadel. Man fragt sich, was ein d bekommt. Wir finden, man sollte sich ein Vorbild an Prinz Charles oder den Karnevalsprinzen nehmen. Die tragen ihren Kronen doch auch mit Stolz. Denn ein bisschen Zauber muss sein!
Letzte Woche waren übrigens die diesjährigen Wahlen zur Deutschen Weinkönigin (dieses mal noch alles nach alter Sitte mit den waschechten Weinköniginnen der jeweiligen Weinanbaugebiete von 2023). Als Pfälzer Weingut sind wir unglaublich stolz darauf, dass für das nächste Jahr Charlotte Weihl aus der Pfalz den Deutschen Weinbau in der Welt präsentieren wird.
Am Freitag waren dann die Wahlen zur Pfälzer Weinhoheit 2024. Vor der 60-köpfigen Jury konnte sich Denise Stripf sowohl gegen eine weibliche und auf den ungewohnten männlichen Rivalen durchsetzten. Damit übernimmt sie für ein Jahr das Amt der Pfälzischen Weinkönigin.
Mit zwei Pfälzerinnen in der Adelsspitze dürfte es ein gutes Jahr werden. Prost! Zum Wohl. die Pfalz!
Eure nicht ganz adeligen Grafen
Danke für den interessanten Newsletter.
Grandioser Text !
Grüße vom Halbadel (von München/Puchheim)
Danke liebe Grafen,
dass ihr diesen Brief teilt und dazu steht .
Feenzauber in der jetzigen Welt und Tradition ist was tolles und tut gut.
Ich hätte zu Tradition zusätzlich mir eine oder ein Weinbotschafter zusätzlich gut vorstellen können und wäre zeitgemäß.
Liebe Grüße […]
Liebe nicht ganz adligen Grafen,
ich darf es mal wieder sagen: kaum etwas erfreut mich mehr, wie Euer Newsletter. Sensationell geschrieben und von hohem Unterhaltungswert. So genial, dass ich sie in einen eigenen Ordner schiebe und aufbewahre.
Chapeau!!! Und vielen Dank.
Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag
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