Unserer Pflänzchen wachsen wie verrückt, und bei den frühreifen Rebsorten bilden sich sogar schon die ersten Gescheine. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Pflänzchen vor Mehltau zu schützen. Das ist notwendig, sonst würden wir im Herbst keine Träubchen ernten…
»Wieso seid Ihr eigentlich kein Bio-Weingut?« Dies ist die Gretchen-Frage im Weinbau (und eine Frage, die uns mit am häufigsten gestellt wird). Die Antwort ist komplex.
In Europa gibt es nur ein einziges nach EU-Recht zugelassenes Bio-Siegel, das BMEL. Alle anderen Zertifizierungen gehen auf (private) Vereine oder Organisationen zurück (wie z.B. Bioland und Demeter). Die Kriterien der »privaten« Initiativen unterscheiden sich dabei teilweise von denen der EU.
Nun hinterfragt der kritische Konsument ja richtigerweise, was so ein Siegel eigentlich aussagt und welche Regeln der Produzent einhalten muss, um die Auszeichnung zu erhalten. Und genau das haben wir auch getan.
Foto: Von Oidium (echter Mehltau) befallene Rebenblätter
Der Bioanbau im Weinberg erlaubt bekanntermaßen keine kultivierten Pflanzenschutzmittel. So weit, so gut. Doch gerade der Mehltau (unser bekannter Erzfeind) wird nicht einfach hingenommen. Als Alternative wird Kupfer eingesetzt – denn dies ist laut allen Bio-Siegeln erlaubt! Kupfer ist allerdings ein Schwermetall, das auf lange Sicht zu einer hohen Bodenbelastung führt und in der Natur nicht abgebaut werden kann.
Die geringere Schutzwirkung der alternativen Bio-Mittel sorgt zudem dafür, dass die Traktoren häufiger als sonst durch den Weinberg fahren müssen. Die modernen Traktoren von heute sind jedoch meist doppelt so schwer wie ihre Vorgänger von vor rund 30 Jahren – und dadurch wird der Boden verdichtet, ja, ihm wird quasi die Luft abgeschnürt. Dann muss der Boden wieder maschinell aufgelockert werden, und dadurch entstehen andere Effekte … Kurz: Es ist vielschichtig und mit einer Pauschalantwort wird einfach zu kurz gesprungen.
Hinzu kommt, dass jeder Verband eine Mitgliedergebühr nimmt. Zusätzlich finden jährliche Audits statt, die auch wiederum mit Kosten verbunden sind. Durch den hohen Bürokratieaufwand gibt es viele kleine Unternehmen, die die Zertifizierung nicht umsetzen, obwohl sie sich aus Überzeugung an die Bioregeln halten.
Der Zertifizierungsprozess an sich ist auch keine Sache, die man in ein paar Stunden umsetzen kann. Tatsächlich läuft die Umstellung von einem konventionellen auf einen Biobetrieb über drei Jahre.
Das bedeutet im Klartext, dass ein neuer Biobauer schon drei Jahre auf die Biolandwirtschaft (mit ihren niedrigeren Erträgen und höherem Risiko) umgestellt haben muss, bevor er seine Produkte entsprechend zertifizieren lassen und die höheren Bio-Preise nehmen kann. Diese drei Jahre an finanzieller Rücklage muss er zuvor natürlich erst einmal erwirtschaftet haben.
Bei Graf von Weyher haben wir uns jedes Jahr aufs neue in heiße Diskussionen gestürzt, ob eine Umstellung auf Bio für uns Sinn ergibt. Die Nachhaltigkeit und der langfristige Artenschutz haben uns dabei noch mehr umgetrieben als der Gedanke auf die Vermarktungschancen, die in den letzten Jahren bekanntermaßen stark angestiegen sind.
Letztlich ist uns der Kupfer in der Kehle stecken geblieben und auch die höhere Bodenbelastung durch den erhöhten Traktoreinsatz sind uns ein Dorn im Auge, denn irgendwie hatten wir das Gefühl, die Pest mit der Cholera auszutreiben. Statt dessen haben wir drei Maßnahmen ergriffen:
-
Wir sind seit über 20 Jahren kontrolliert umweltschonend zertifiziert (KUW Pfalz e.V.). Das ist ein (auch) privater Verein, der unseren Überzeugungen am ehesten entspricht.
-
Echte Nachhaltigkeit bedeutet für uns: Die Natur dabei unterstützen, sich selbst zu helfen. Aus diesem Grund sind wir überzeugte Anbauer der neuen PiWi (pilzwiderstandfähigen) Weinsorten, wie z.B. dem Cabernet Blanc.
-
Wir haben in Zusammenarbeit mit der Lipcosystem eine Recycling-Spritzmaschine entwickelt, die Pflanzenschutzmittel zielgenau aufbringt und daher nur dort auf unseren Pflänzchen landet, wo es wirklich nötig ist. Zusätzlich fängt das Lipcosystem das überschüssige Pflanzenschutzmittel wieder auf. So können bis zu 60% an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden.
Wir finden, wir sind auf dem richtigen Weg – auch wenn es nicht in einem Satz zu erklären ist. Wie seht ihr das? Was ist eure Meinung zum Bio-Weinbau?
Eure nicht Bio-zertifizierten, aber aus Überzeugung nachhaltig denkenden Grafen.
Ich bin begeistete Newsletter Leserin von den Grafen von Weyer und durch eure Infos schon viel klüger geworden! Diese Erkenntnis muss dann gerne mit einem guten Tropfen aus dem Grafenbestand gefeiert werden. Vielen Dank dafür und bitte: weiter so!! Liebe Grüße aus dem Rheinland.
Ihr macht das richtig, habt Euch die Alternativen angesehen, abgewogen und entschieden.
Eure Info klärt klar und verständlich zu dem Thema Bio oder nicht Bio auf. Mit der kontrolliert umweltschonenden Methode seit ihr auf den richtigen Weg.
Bin Architekt- Das Thema der immer wieder zu bezahlenden Gütesiegel ist auch in unserer Branche ein dauerndes Ärgernis. Ein Wein (Haus) soll günstig sein und nicht durch unnötige Verwaltungskosten verteuert werden. Wenn notwendige Teuerung, dann zugunsten des Erzeugers! Und das Burgund ist Beispiel genug, dass jeder Winzer mit seinen Böden und damit seiner Lebensgrundlage sorgfältig umgehen sollte- man sollte da auch ein gewisses Grundvertrauen mitbringen…
Meine eine Weinrebe im großen Pflanzkübel (übrigens ein Geschenk von Kollegen der Firma ITK in Rülzheim nicht unweit von Weyher) hatte letzten Sommer auch Mehltau – ein Totalausfall. Deswegen: Es muss nicht immer “Biodynamique” sein, bewusster Umgang ist auch OK. Grüsse aus Ludwigsburg, Gert
Wir freuen uns über deine Kommentar