Mörderische Hochsaison im Keller

Im Herbst ist Hochsaison im Weinberg.
Das wissen alle.
Und im Winter ist Hochsaison im Weinkeller.
Das weiß kaum jemand.
Doch was genau passiert da eigentlich?
Seit einigen Wochen schlummert und gärt der Traubensaft vor sich hin. Sehr entspannt. Wir hingegen springen wie aufgeregte Eichhörnchen um die Fässer herum und kontrollieren die Entwicklung genau, denn wir müssen exakt in dem Moment, in dem die richtige Restsüße erreicht ist, die Hefen umbringen. Sonst gären sie weiter und machen aus unserem schönen Wein Essig.
Und wie bringt man Hefen um?
Mit Kälte. Wenn die Temperatur unter 7 Grad fällt, kränkeln sie. Kurz vor Null hat es sich dann ausgegärt und die erledigten Hefen sinken langsam auf den Boden. Dafür brauchen sie (wie die sterbende Violetta in der Oper La Traviata) ganz schön viel Zeit. Wir warten also einige Tage ab, bis der nächste Schritt kommt:
Der Wein wird abgestochen
Sorry, der Newsletter klingt dieses Mal ein wenig brutal. Aber so heißt es tatsächlich. Dies geschieht, indem wir ganz vorsichtig von oben den Wein absaugen und uns peu à peu weiter nach unten wagen … bis wir kurz über den erledigten Hefen sind. Die trüben Reste lassen wir im Fass. Und dann folgt sofort der nächste Schritt:
Der Wein wird „geschönt“
Trotz aller Vorsicht ist der Wein immer noch ein wenig trübe und sieht nicht so wahnsinnig appetitlich aus. Daher wird er nun gefiltert, bis er eben schön ist, sprich bis er eine leuchtende Farbe hat, glänzt und sich hübsch präsentiert. In diesem Stadium heißt er Jungwein.
Jetzt kommt die chemische Prüfung
Nachdem der Jungwein hübsch gemacht wurde, wird er genauestens analysiert. In diesem Augenblick werden alle Winzerinnen und Winzer zu Chemikern und prüfen akribisch, wie die wichtigen messbaren Parametern aussehen, die einen Wein ausmachen, sprich Restsüße, Zucker, Schwefelgehalt – und neuerdings auch Kohlenhydrate bzw. Nährwerte.
Und dann wird abgeschmeckt!
Die sensorische Prüfung ist im nächsten Schritt entscheidend. Dabei wird vor allem auf zwei Parameter geachtet: Die richtige Balance zwischen Süße und Säure. Diese können wir durch zwei Maßnahmen noch in Nuancen beeinflussen:
1. Wenn der Wein nicht süß genug ist
... haben wir Winzer eine Geheimwaffe: Die „Süßreserve“. Das ist reiner Traubensaft, der sorgsam hinzugegeben wird, bis der Trockenheitsgehalt (Zuckergehalt) seinen exakten Wert erreicht hat. So können wir Jahrgangskapriolen, die z.B. durch mangelnde Sonne entstehen, ausgleichen.
2. Wenn der Wein zu sauer ist
… zwingen wir ihn dazu, die Säure rauszuschmeißen. Das machen wir, indem wir den Jungwein erneut herunterkühlen. Dadurch kristallisiert die Weinsäure aus und bleibt an den Fasswänden und im Boden hängen. Dieser sogenannte Weinstein muss dann später in mühseliger Arbeit abgetragen werden – das ist ein Job für Leute, die von Herzen gern putzen.
Wein-Diamanten
Der Weinstein ist übrigens ein Kristall. Roter Weinstein ist schwarz, aber weißer Weinstein glitzert und funkelt! Es gibt sogar experimentierfreudige Menschen, die aus den „Wein-Diamanten“ Schmuck gemacht haben. Das scheint allerdings ein Einzelfall zu sein. Meistens geben wir den Weinstein auch gar nicht her, denn wenn wir ihn vorsichtig einlagern, können wir ihn pulverisieren und in einem anderen Jahr wieder hinzufügen, wenn uns Säure fehlt. Hier kommt nichts weg!
Probieren, probieren, und noch einmal probieren
Was glaubt Ihr, wie oft so ein Wein probiert wird, bis er endlich perfekt ist und abgefüllt werden kann?
- 30 Mal?
- 70 Mal?
- Zu wenig! Er wird ca. 100 Mal verkostet!
Nun denkt Ihr Euch vielleicht, dass das ein herrliches Leben ist … ständig Wein genießen, und das noch hauptberuflich! Berufliches Nebenrisiko: konstanter Rausch. Doch ganz so ist es nicht. Damit wir uns nicht selbst unter die Fässer trinken, wird der Wein nur in den Gaumen genommen, mit hoher Konzentration erschmeckt und nicht heruntergeschluckt. Jammerschade aber vernünftig. In der Fachsprache wird dieses Verkosten übrigens als „sensorische Prüfung“ bezeichnet.
Das alles geschieht im Keller – genau jetzt! Hättet Ihr es gewusst?
Und in den Weinbergen läuft parallel der Rebschnitt, übrigens auch bei Frost. (Darüber haben wir schon berichtet). Wir frieren also sowohl über als auch unter der Erde, denn im Keller herrscht eine konstante Temperatur von 16 Grad. Manchmal sind wir dann froh, wenn wir wieder im warmen Büro vor dem Rechner sitzen können und uns mit Buchhaltung, Steuern, Marketing, Einkauf und Verwaltung beschäftigen dürfen.
Eure ständig Wein verkostenden und trotzdem nüchternen Grafen
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